Alfred Schmidt-Sas
26. März 1895 Schlegel bei Zittau
5. April 1945 Berlin-Plötzensee
Nach Beginn des ersten Weltkrieges meldete sich der Sohn eines Bäckermeisters und angehende Lehrer Alfred Schmidt-Sas freiwillig an die Front. Er kehrte als Antimilitarist zurück. 1921 beendete er das Studium am Löbauer Lehrersemimar und arbeitete ein Jahr als Werftarbeiter in Hamburg. Dann fand er eine Anstellung in einer Leipziger Schule.
Alfred Schmidt-Sas liebte seinen Beruf, unterrichtete seine Schüler nach fortschrittlichen pädagogischen Prinzipien und erzog sie zu denkenden Menschen. Allen schönen Künsten zugetan, ließ er sich am Leipziger Konservatorium zum Pianisten ausbilden und übertrug seine Freude an der Musik und an der Lyrik auch auf die Kinder. Mit anderen fortschrittlichen Lehrern, die gleich ihm dem Deutschen Lehrerverein angehörten, trat er für eine durchgreifende Schulreform ein.
1924 wurde Alfred Schmidt-Sas Mitglied der KPD. Lange Zeit war er in einem Stadtbezirk für die Agitationsarbeit der KPD verantwortlich. Zusammen mit dem Schriftsteller Herbert Bochow beriet er die Arbeiterschauspieler in den Agitproptruppen der KPD und stellte für ihre spritzigen aktuellen Szenen, in denen sie die politischen und sozialen Verhältnisse der Weimarer Republik anprangerten, Material zusammen.
Im März 1933 wurde Alfred Schmidt-Sas verhaftet. Die Schüler sandten dem geliebten Lehrer viele Pakete ins Gefängnis, und vielleicht trug ihre so offenkundig zur Schau getragene Sympathie dazu bei, dass er im Mai 1933 entlassen wurde. Alfred Schmidt-Sas ging nach Berlin und fristete dort, da er seinen Beruf nicht mehr ausüben durfte, seine Existenz als privater Klavierlehrer. Der Pianist übte auf die jungen Menschen, die er unterrichtete, einen starken Einfluss aus. Manchen von ihnen öffnete er die Augen über den antihumanen Charakter der faschistischen Ideologie. Er hatte zahlreiche freundschaftliche Beziehungen zu Angehörigen der oppositionellen Intelligenz, unter denen er für eine gemeinsame Kampffront aller Hitlergegner eintrat und das Vertrauen in die Kraft der Sowjetunion stärkte. Als der Kommunist Herbert Bochow 1940 von Leipzig nach Berlin kam, gelang es in gemeinsamem Wirken, diesen Kreis zu vergrößern.
Alfred Schmidt-Sas und Herbert Bochow standen auch dem jungen Antifaschisten Hanno Günther und dessen Freunden mit ihrer politischen Erfahrung zur Seite. Sie berieten sie bei der Abfassung von Flugblättern, und Alfred Schmidt-Sas besorgte ihnen einen Abziehapparat.
Im Sommer 1941 wurde Alfred Schmidt-Sas verhaftet, zeitweilig im KZ Sachsenhausen festgehalten und im Frühjahr 1942 vorübergehend freigelassen. Im Juni 1942 erfolgte seine erneute Festnahme. Mit Hanno Günther, Wolfgang Pander, Emmerich Schaper und Bernhard Sikorski im gleichen Prozess im Oktober 1942 zum Tode verurteilt, starb er im Zuchthaus Berlin-Plötzensee unter dem Fallbeil.
Aus Briefen an seine Frau, geschrieben in der Todeszelle
Dies schreibe ich am Montag, dem 8. März. Auch die schrecklichen Minuten gegen 15 Uhr, wenn man die Abendopfer aus den Zellen holt und das Haus den Atem anhält, auch diese Minuten sind vorüber, und der Tag kann als gewonnen betrachtet werden ...
21. März 1943
Morgen ist wieder ein kritischer Tag erster Ordnung, und niemand weiß, ob ich in vierundzwanzig Stunden noch in dieser Zelle und in dreißig noch am Leben bin. Aber dem Tode ist alle Bitterkeit genommen - nicht die Traurigkeit natürlich, aber ist sie nicht beinahe süß? Gerade empfinde ich jetzt dies ganz stark, wo ich eben aus einer tiefen, namenlosen Vereinigung mit Dir mich wieder zu Worten und Begriffen zurückfinde. Woher mag es stammen, was unsere Seelen mit Zaubergewalt anrührt und zusammenführt? Warum springt dieser Brunnen nicht immer? Ich saß auf meinem harten Stuhl in der Zelle, wie die hundert und hundert Stunden vordem, und steckte doch ganz tief und ungeteilt in allem: in Natur, Mensch und Kunst. Die Unterschiede Zwischen Leben und Tod verschwanden über der Freude: zu sein ...
28. März 1945
28. März 1945
... Mittags 1 Uhr. Vier Mitmärtyrer wurden eben aus den Zellen geholt. So werde ich zwei- bis dreimal in der Woche nahe an den Abgrund geführt, und während ich mich zwinge, ruhig hinabzuschauen, warte ich auf den kleinen Stoß, der genügt, mich hinabzustürzen.
4. April 1945
Ich nähere mich wieder einer Dämmerung..., es ist die Dämmerung, die den Morgen und den neuen Tag verkündet. Diesen vermag ich mir nicht anders vorzustellem als mit Dir... Es ist 5 Stunden später; eben bin ich nach sieben verlegt worden, das heißt, heute abend, in weiteren 5 Stunden, werde ich hingerichtet.
Ein großer Friede erfüllt mich und eine große Leichtigkeit. Alles Schwere ist abgetan! Und niemals hatte ich Deine und der anderen Liebe so rein, so innig und unbefleckt. Ich bin auf unerklärliche Weise glücklich. Behaltet mich so im Gedächtnis...
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