Ferdinand Lassalle

11.04.1825 Breslau
31.08.1864 Genf

Sohn eines Seidenhändlers; 1835-1840 Besuch des Gymnasiums in Breslau, 1840/1841 der Handelsschule in Leipzig; 1841-1843 Vorbereitung auf das Abitur; 1843 Reifeprüfung in Breslau; 1843-1846 Studium der Philosophie, Geschichte und klassischen Philologie an den Universitäten Breslau und Berlin.
Unter dem Einfluß der Schriften von Ludwig Börne, Heinrich Heine, der Junghegelianer und des utopischen Sozialismus und Kommunismus wandte sich Lassalle frühzeitig demokratischen und sozialistischen Ideen zu und begrüßte den schlesischen Weberaufstand von 1844. Sein ehrgeiziges Streben nach Ruhm und gesellschaftlicher Anerkennung hinderte ihn jedoch, sich konsequent an die Seite der Arbeiterklasse zu stellen. Statt dessen vergeudete er 1846-1854 seine Begabung und Energie als Rechtsbeistand und Generalbevollmächtigter der Gräfin Sophie v. Hatzfeldt in deren Scheidungs- und Vermögensprozess. Dabei war er, wie auch später oft, im Einsatz seiner Mittel nicht wählerisch. Lassalle gewann durch den Prozeß ein beachtliches Vermögen. Nachdem Lassalle im August 1848 von einer Anklage wegen Verleitung zum Kassettendiebstahl im Zusammenhang mit dem Hatzfeldtprozeß freigesprochen worden war, beteiligte er sich an der revolutionären Bewegung im Rheinland. Er gehörte dem demokratischen Volksklub und der Bürgerwehr in Düsseldorf an. In dieser Zeit wurde er mit Karl Marx und Friedrich Engels bekannt, las das „Manifest der Kommunistischen Partei" und verfolgte aufmerksam die „Neue Rheinische Zeitung". Im Novovember 1848 setzte sich Lassalle für die Steuerverweigerung und die Bewaffnung der Bürger ein. Er wurde deshalb im Novovember 1848 verhaftet und im Juli 1849 zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Nach der Niederlage der Revolution hielt Lassalle 1849 bis 1862 die Verbindung zu Marx aufrecht und bezeichnete sich wiederholt als dessen Schüler. Doch eignete er sich die dialektisch-materialistische Weltanschauung nie an, blieb dem Hegelianismus verhaftet und vertrat keinen proletarischen Klassenstandpunkt. Er arbeitete mit dem Bund der Kommunisten zusammen; seine Aufnahme als Mitglied lehnte die Kölner Zentralbehörde wegen seiner Verstrickung in den Hatzfeldtprozeß jedoch ab. 1851 gründete Lassalle einen illegalen Zirkel revolutionärer Arbeiter in Düsseldorf und propagierte sozialistische Ideen. 1851/1852 unterstützte er die Angeklagten des Kölner Kommunistenprozesses.
Nach Beendigung des Hatzfeldtprozesses widmete dich Lassalle wissenschaftlichen Studien. Seine philosophische Arbeit über Heraklit (1858), sein Drama "Franz von Sickingen" (1858), sein juristisches Werk "Das System der erworbenen Rechte" (1861) u.a. Schriften zeigten, wie tief Lassalle in der idealistischen Philosophie Hegels befangen war. Die einzelnen Geschichtsperioden betrachtete Lassalle als verschiedene Entwicklungsstufen der Idee der Freiheit, die Klassen als Träger unterschiedlicher Prinzipien, in denen sich die Selbstbestimmung der Idee verkörperte. Den Volksmassen schrieb er keine revolutionäre Kraft zu. Sie waren für ihn nur das Objekt der zur Erkenntnis der Idee gelangten Führer. Den Staat fasste er als Verkörperung der allgemeinen menschlichen Sittlichheit auf. 1858 siedelte Lassalle nach Berlin über. Während der politischen Krise 1859 veröffentlichte er die Schrift "Der italienische Krieg und die Aufgabe Preußens", in der er auf eine Stärkung der Stellung Preußens in Deutschland orientierte, weshalb er von Marx und Engels heftig kritisiert wurde.
Im April 1862 wandte sich Lassalle mit einem Vortrag an die wieder auflebende deutsche Arbeiterbewegung, indem er die Rolle der Arbeiter für den geschichtlitchen Fortschritt betonte. Im Sommer 1862 besuchte er Marx in London und versuchte ihn für eine gemeinsame Arbeiteragitation in Deutschland zu gewinnen. Das lehnte Marx ab, da er eine Kompromittierung durch Lassalle befürchten musste. Das Leipziger Zentralkomitee, das einen Arbeiterkongreß vorbereitete und von Lassalle ein revolutionäres Programm enwartete, bat Lassalle im Dezember 1862 um dessen Ausarbeitung. Lassalles "Offenes Antwortschreiben" vom März 1863 wurde zur Grundlage des am 23. Mai 1863 gebildeten Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV). Lassalle erwarb sich ein historisches Verdienst, insoweit er den fortgeschrittenen deutschen Arbeitern half, sich nach der Reaktionsperiode erneut organisatorisch und politisch von der Bourgeoisie zu trennen und eine eigene Organisation zu schaffen. Mit seinem kleinbürgerlich-staatssozialistischen Programm verbreitete er jedoch ein System opportunistischer Ideen in der deutschen Arbeiterberwegung. Seine Hauptforderungen waren: legale Agitation für das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht, um Vertreter der Arbeiter ins Parlament entsenden zu können, sowie Errichtung von Produktivgenossenschaften mit Krediten des preußischen Junkerstaates, um die Kapitalisten niederkonkurrieren zu können. Er erstrebte nicht die Zerschlagung des Ausbeuterstaates, sondern weckte die Illusion, mit Hilfe des bestehenden Staates friedlich in den Sozialismus hineinwachsen zu können. Sein staatssozialistischer Opportunismus war mit Sektierertum gepaart. Gestützt auf seine These vom "ehernen Lohngesetz", lehnte Lassalle die Gewerkschaften ab. Er unterschätzte die Bundesgenossen des Proletariats. Auch leugnete er den internationalen Charakter des proletarischen Befreiungskampfes. Mit diesem Programm negierte Lassalle nicht nur die proletarische, sondern auch die auf der Tagesordnung stehende bürgerlich-demokratische Revolution. Der Lassalleanismus wurde zum Haupthindernis für die Herausbildung einer marxistischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auf dem Gründungskongreß des ADAV wurde Lassalle zum Präsidenten gewählt. Die Organisation des Vereins schnitt Lassalle auf seine persönliche Diktatur zu. Sehr bald bildete sich daher um Julius Vahlteich und Wilhelm Liebknecht eine proletarische Opposition gegen ihn. Besonders negativ war, dass Lassalle für die Einigung Deutschlands unter Führung des reaktionären preußischen Staates eintrat. Seit Mai 1863 führte er geheime Verhandlungen mit Otto von Bismarck, dem er seine Unterstützung anbot, wofür Lassalle das allgemeine Wahlrecht erhoffte. Er richtete seine Angriffe immer einseitiger gegen die liberale Bourgeoisie und nicht gegen die preußischen Junker und erweckte den Anschein, als könne sich die Hohenzollern-Monarchie in ein Volkskönigtum verwandeln. Erfüllt von Zweifeln gegenüber der Kraft der Massen, aber eitel und ehrgeizig auf den Augenblickserfolg bedacht, biederte er sich im Hochverratsprozeß vom März 1864 und in seiner Ronsdorfer Rede vom Mai 1864 bei den reaktionären Kräften an. Lassalle beabsichtigte, im September 1864 für die Annexion Schleswig-Holsteins durch Preußen zu agitieren. Seine antirevolutionäre Politik war ,,objektiv... Verrat der ganzen Arbeiterbewegung an die Preußen" (Friedrich Engels). Bevor Lassalle diese PIäne verwirklichen konnte, fand er infolge eines Duells wegen einer Liebesaffäre den Tod. [118]

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