Theodor Neubauer

12. Dezember 1890 Ermschwerd/Hessen
5. Februar 1945 Brandenburg an der Havel
 
Theodor Neubauer war der Sohn eines Gutsinspektors. Obwohl er in einem konservativen Elternhaus erzogen worden war, fand der von humanistischen Ideen beseelte Pädagoge den Weg zur Arbeiterklasse. Er lernte von ihr und wurde einer ihrer Lehrer. Als Kommunist stellte er seine großen Fähigkeiten in den Dienst der Befreiung des deutschen Volkes von imperialistischer Ausbeutung, Unterdrückung und Kriegskatastrophen. Sein ganzes Streben galt dem Sieg der Arbeiterklasse und der Errichtung der sozialistischen Gesellschaft. 
Theodor Neubauer hatte an den Universitäten in Brüssel, Jena und Berlin Geschichte und neuere Sprachen studiert und 1913 in Jena mit der Dissertation "Die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Stadt Erfurt vor Beginn der Reformation" den Grad eines Dr. phil. erworben. Zu Beginn des ersten Weltkrieges meldete er sich freiwillig an die Front; als unerbittlicher Gegner des imperialistischen Krieges kehrte er Anfang 1917 zurück und trat nach kurzer Mitgliedschaft in der DDP der USPD bei. Im März 1920 nahm er am Generalstreik gegen den Kapp-Putsch teil. Seit der Vereinigung des linken Flügels der USPD mit der KPD im Jahre 1920 gehörte er der KPD an. Von 1921 bis 1924 war er Abgeordneter des Thüringer Landtags, und von 1924 bis 1933 vertrat er die Wähler der KPD im Reichstag. 
In den ersten Jahren der Weimarer Republik wirkte Theodor Neubauer als Lehrer in Erfurt, Ruhla und Weimar. Er legte seine politisch-pädagogischen Erkenntnisse in den Schriften ,,Vom Recht des Kindes" und ,,Die neue Erziehung der sozialistischen Gesellschaft" und in vielen anderen Arbeiten nieder. Entschieden trat er gegen das überholte Schulsystem auf und forderte eine wirklich demokratische Schule und eine echte Volksbildung. 
Im Oktober 1923 wurde in Thüringen, wie kurz vorher in Sachsen, auf der Grundlage der Koalition von linken Sozialdemokraten und Kommunisten eine Arbeiterregierung gebildet. Theodor Neubauer gehörte ihr als Staatsrat für Gotha an. Wenige Wochen später marschierte die Reichswehr in Thüringen ein und löste die Arbeiter die Arbeiterregierung auf. Theodor Neubauer verbarg sich zunächst, um den Verfolgungen zu entgehen, und übersiedelte dann nach Düsseldorf. Die Schulbehörde entließ ihn aus dem Schuldienst, und er wandte sich nun ganz der politischen Arbeit zu. Jahrelang führte er das schwere Leben eines Berufsrevolutionärs, häufig von Frau und Kindern getrennt. Er arbeitete am Organ der Bezirksleitung Niederrhein der KPD, "Freiheit", mit, schrieb Artikel für "Die Internationale" und andere Zeitschriften, sprach auf Versammlungen und Kundgebungen und wirkte als Lehrer an Abendschulen und an der Parteischule der KPD. 1929 berief ihn die Partei zum Sachverständigen für Steuer- und Finanzfragen der Reichstagsfraktion nach Berlin. Er erarbeitete sich umfassende Kenntnisse der deutschen Wirtschafts-, Finanz- und Außenpolitik. Daneben beschäftigte er sich immer wieder mit pädagogischen Fragen und kämpfte für eine demokratische Schulreform. 
Im August 1933 verhafteten die Faschisten Theodor Neubauer. Während des Reichstagsbrandprozesses wurde er, noch gezeichnet von den grausamen Misshandlungen, als Zeuge vernommen. Aufrecht stand er vor den Richtern, bekannte sich zur kommunistischen Weltanschauung und unterstützte den Kampf Georgi Dimitroffs. Im Herbst 1934 fand der Prozeß gegen Theodor Neubauer statt. Er wurde zu sieben Monaten Gefängnis verurteilt, aber bis 1939 in den Zuchthäusern Berlin-Plötzensee und Brandenburg und in den Konzentrationslagern Lichtenburg, Papenburg, Esterwegen und Buchenwald gefangengehalten. Auch in diesen Folterhöllen organisierte er den Widerstand. In Buchenwald entstand unter der Leitung von Albert Kuntz, Theodor Neubauer und Walter Stoecker eine straff organisierte illegale Parteiorganisation. 
Nach seiner Entlassung nahm Theodor Neubauer von Tabarz aus Verbindung zu illegal arbeitenden Kommunisten auf und begann, entsprechend der Einheits- und Volksfrontpolitik der KPD, eine umfassende antifaschistische Widerstandsorganisation in Thüringen aufzubauen. Seit Anfang 1942 kämpfte er gemeinsam mit Magnus Poser. Beiden Kommunisten gelang es in den folgenden Jahren, die illegalen Parteigruppen unter einheitlicher Führung zusammenzufassen. Auf der Grundlage der Beschlüsse des Zentralkomitees der KPD leiteten sie die politische Arbeit der Bezirksorganisation Thüringen der KPD. In vielen Großbetrieben wurden bestehende Parteizellen gefestigt oder neue aufgebaut, die gemeinsam mit Hitlergegnern verschiedener Weltanschauung Aktionen zur Störung der Kriegsproduktion durch führten. Theodor Neubauer und seinen Mitarbeitern gelang es auch, Verbindung zu dem ehemaligen sozialdemokratischen Reichstag abgeordneten Paul Voigt* und anderen sozialdemokratíschen Funktionären aufzunehmen, um den Widerstand gemeinsam zu organiseren Es bestanden Kontakte zu Antifaschisten in Dortmund, Bad Kreuznach und anderen Städten. Eine enge Zusammnenarbeit entwickelte sich mit den leitenden kommunistischen Funktionären in Sachsen Anhalt, Sachsen und Berlin. Im Herbst 1943 wurde unter Mítwirkung Theodor Neubauers die operative Leitung der KPD und des antifaschistischen Kampfes in Deutschland gebildet. Ihr gehörten Anton Saefkow, Franz Jacob, Georg Schumann, Theodor Neubauer, Martin Schwantes und Bernhard Bästlein an. Die antifaschistische Kampffront konnte durch Einbeziehung von Hitlergegnern aus fast allen Schichten der Bevölkerung wesentlich erweitert werden, und die Bewegung "Freies Deutschland" gewann in vielen Teilen Deutschlands neue Anhänger. 
Theodor Neubauer leistete außer seiner umfangreichen politischen und organisatorischen Täitigkeit eine bedeutende theoretische Arbeit. In der zweiten Hälfte des Jahres 1943 verfasste er den ,,Bericht zur Lage", der für die Kader der Thüringer Parteiorganisation die Grundlage des weiteren Widerstandskampfes war. Darin wurde hervorgehoben, daß die Befreiung vom Faschismus vor allem die Aufgabe des deutschen Volkes selbst sei und durch den geschlossenen Kampf aller Antifaschisten erreicht werden könne. Als Mitautor bedeutender Dokumente der operativen Leitung trat Theodor Neubauer stets für die Durchsetzung der Beschlüsse des Zentralkomitees der KPD und der Politik des NKFD ein.
Am 14. Juli 1944 geriet Theodor Neubauer erneut in die Hände der Gestapo. Er wurde am 8. Januar 1945 zum Tode verurteilt und starb drei Monate vor der Befreiung seines Vaterlandes vom Faschismus, wofür er selbstlos und unermüdlich gekämpft hatte, im Zuchthaus Brandenburg auf dem Schafott.
 
* Paul Voigt wurde Ende 1944 von der Gestapo in Berlin aufgespürt und ermordet.

 
Brandenburg,1.2.1945
Meine liebe, gute Frau! 
Gestern erhielt ich die wunderbare Decke und ein Paar schöne dicke Strümpfe. Hab tausend Dank. Du kannst Dir wahrscheinlich gar nicht Vorstellen, welchen Dienst mir diese Dinge tun. lch hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, die Decke zu bekommen, und dachte mir, es sei Dir vielleicht etwas dazwischen gekommen. Aber die Nächte waren bitter kalt, und ich habe oft gedacht: Wenn ich doch jetzt die Decke hätte. Gestern kam nun die Decke - herrlich -, und über Nacht hat es getaut.
Liebes Herz, ich hoffe, daß ich nun bald von Dir Post bekomme, und wenn es bloß eine Karte ist. (Neuerdings sind uns wieder, wie Du siehst, Briefe gestattet.) Es ist nur schade, daß ich Sonjas Gedicht nicht bekommen kann. Es ist ihr erstes, davon ich Kenntnis erhalte; für mich eine große freudige Überraschung, bei ihr diese Gabe zu entdecken. Sag ihr doch bitte, wie sehr ich mich darüber freue! lch denke ja täglich so oft in aller Liebe an Euch, daß Euch schon davon die Ohren summen müßten. Hast Du Dein Gesuch erledigen können? Ich bin leider bis jetzt noch nicht dazu gekommen, den Antrag auf Wiederaufnahnme zu erledigen. Hoffentlich geht es heute noch. Denn es wäre nun bald Zeit. Seid lhr gut heimgekommen? Es war sehr lieb von Ilse, daß sie Dich begleitet hat; ich rechne ihr das sehr hoch an. 
Leb wohl, meine geliebte, tapfere Frau! Grüß Sonja recht herzlich und Anne und llse und Deine Mutter. Wenn ich an diese guten Menschenkinder denke, wird mir das Herz warm. 
Einen innigen Kuß 
Dein Theo 
 
Ich muß Dir noch sagen, Liebste, daß mich Dein Besuch ganz glücklich gemacht hat! 
 
 
5. 2. 1945 
Liebste Frau! Geliebte Tochter! Liebe Anna! 
Euch alle drei grüße ich jetzt zum letzten Mal. Ich sterbe mit festem Herzen - selbstverständlich. Allen Lieben die herzlichsten Grüße. In inniger Liebe 
Euer Theo 
 
 
Bild: [105]
Text: [105]

Beliebte Posts aus diesem Blog

Schumann bleibt!

Statement zum Interview mit Mephisto 97.6

Auf den Spuren des revolutionären Leipzigs - Rundgang auf dem Südfriedhof