Werner Seelenbinder
24. Oktober 1944 Brandenburg an der Havel
Werner Seelenbinder wuchs in einem Berliner Arbeiterviertel auf. Er war Transportarbeiter und blieb es auch, als er auf der Höhe seines sportlichen Ruhms stand, aus vielen internationalen Wettkämpfen als Sieger hervorging und sechsmal den Titel eines Deutschen Meisters des klassischen Ringkampfes im Halbschwergewicht errungen hatte. Werner Seelenbinder blieb ein bewusster Sohn der Arbeiterklasse, der seine ganze Person in den Dienst des Kampfes für die Befreiung des deutschen Volkes von Imperialismus, Faschismus und Krieg stellte. 1921 kam er zur Arbeitersportbewegung. Der hochtalentierte Ringer konnte 1926 seinen ersten internationalen Erfolg als Sieger im Mittelgewicht auf dem in Wien stattfindenden Arbeiter-Turn- und Sportfest erringen. Treffen mit Arbeitersportlern in Finnland und in der Sowjetunion folgten. 1928 nahm Werner Seelenbinder an der I. Internationalen Spartakiade der Roten Sport-Internationale in Moskau teil. Unmittelbar nach seiner Rückkehr trat er unter dem Eindruck der Erlebnisse im ersten sozialistischen Staat in die KPD ein.
Wenige Tage nach Errichtung der faschistischen Diktatur erhielt Werner Seelenbinder von Funktionären der Kampfgenmeinschaft für rote Sporteinheit den Auftrag, einem legalen Sportverein beizutreten und alles daran zu setzen, in die Natiomalmannschaft aufgenonmmen und Kandidat für die Olympischen Spiele zu werden. Es fiel Werner Seelenbinder nicht leicht, dem zuzustimmen, musste er doch dann auch das verhasste Hakenkreuz auf der Sportkleidung tragen. Viele Jahre nutzte er die sich ihm bietenden Möglichkeiten, den antifaschistischen Kampf zu unterstützen. Auf Reisen der Nationalmannschaft nach Schweden, Dänemark, Lettland und Frankreich suchte er Vertreter der KPD auf, übermittelte ihnen Berichte aus Deutschland und brachte die Beschlüsse der Parteiführung nach Berlin mit. Er fuhr als Kurier nach Bonn, Ludwigshafen, München, Stettin und in andere Städte, stellte zerrissene Verbindungen wieder her und brachte seinen Genossen lnformationen und illegale Materialien. Er gewann schwedische Sportler für die gefahrvolle Aufgabe, zu den 1936 in Berlin stattfindenden Olympischen Spielen antifaschistische Flugschriften mitzubringen. Berliner Kommunisten konnten das Flugblatt "Hitlers Olympiade als Kulisse der Kriegsvorbereitungen" heimlich in viele Programme legen, die an die Stadionbesucher verkauft wurden.
Werner Seelenbinder wurde Jahre hindurch von einem sportbegeisterten Publikum umjubelt. Trotz des ständigen Mißtrauens der faschistischen Sportfunktionäre, die ihn wiederholt schikanierten, konnte er seine illegale Arbeit auch nach den Olympischen Spielen fortführen. Er blieb Kurier der illegalen Berliner Organisation der KPD und arbeitete seit 1938 eng mit ihrem Leiter, Robert Uhrig, zusammen. Neue Aufgaben übernahm er während des zweiten Weltkrieges; unter aderem beteiligte er sich an der Herstellung des ,,Informationsdienstes" und an dem Versand von Flugblättern an die Front. Als der im Sommer 1941 aus den Niederlanden eingereiste Beauftragte des Zentralkomitees der KPD Alfred Kowalke nach Berln kam, um den antifaschistischen Kampf organisieren zu helfen, vermittelte ihm Werner Seelenbinder Unterkuft bei Johannes Zoschke und brachte ihn mit den leitenden Funktionären der Organisation zusammen.
Am 4. Februar 1942 wurde Werner Seelenbinder verhaftet. Über zwei Jahre lebte er in der Hölle der Konzentrationslager und Zuchthäuser. Zeitweilig war er im Gefängnis Kalfaktor, und es gelang ihm, Briefe und Kassiber seiner Mitgefangenen hinauszuschmuggeln und manchen Illegalen zu warnen. Werner Seelenbinder wurde am 5. September1944 zum Tode verurteilt und wenige Wochen später im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet.
Brandenburg, den 24. Oktober 1944
Lieber Vater, Geschwister, Schwägerin und Friedel! Die Stunde des Abschieds ist nun für mich gekommen. Ich habe in der Zeit meiner Haft wohl alles durchmachen müssen, was ein Mensch durchmachen kann. Krankheit, körperliche und seelische Qualen, nichts ist mir erspart geblieben. Ich hätte so gern gemeinsam mit Euch, mit meinen Freunden und Sportkameraden die Köstlichkeiten und Annehmlichkeiten, die das Leben nach dem Kriege zu bieten hat und die ich jetzt doppelt zu schätzen weiß, erlebt. Es waren schöne Stunden, die ich mit Euch verbrachte.
Das Schicksal hat es nun leider nach furchtbarer Leidenszeit anders über mich bestimmt. Ich weiß aber, daß ich in Eurem Herzen und dem vieler Sportkameraden einen Platz gefunden habe, den ich immer darin behaupten werde. Dieses Bewußtsein macht mich stolz und stark und wird mich in der letzten Stunde nicht schwächer finden.
Lieber Vater! Leider kann ich Dir diesen Schmerz nicht ersparen, nachdem ich Dir durch meine sportlichen Erfolge recht viel Freude gemacht habe. Ich möchte Dich bitten, Vater, überlaß Friedel die Musiktruhe mit sämtlichen Platten. Laß Friedel auch einen schönen Preis aussuchen, damit sie ein Andenken von mir hat. Sie und Willi und noch andere haben ja so unendlichviel für mich getan.
Also, lebt wohl! Ich weiß, Ihr werdet mich nicht vergessen. Grüßt nun bitte alle Bekannten und Sportkameraden recht herzlich. Lebt alle, alle wohl!
Euer Werner Seelenbinder
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