Wilhelm Liebknecht

29. März 1826 Gießen
07. August 1900 Charlottenburg (Berlin)


Wilhelm Liebknecht wurde als Sohn eines hessischen Regierungsbeamten geboren, wuchs jedoch, da beide Elternteile früh starben, ab 1832 bei seiner Großmutter und nach deren Tod bei einem Freund von Liebknechts Vater auf. 1842 schloss er das Gymnasium in Gießen, studierte bis 1847/48 Philologie, Theologie und Philosophie in Gießen, Berlin und Marburg und absolbierte neben dem Studium zwei Handwerkerlehren. In dieser Zeit kam Liebknecht mit der studentischen Verbindungsbewegung in Kontakt, welche sich für demokratische Rechte und die nationale Einigung des Deutschen Bundes einsetzte, wobei er eher von den frühsozialistischen Vorstellungen Saint-Simons als von nationalistischen Ideen geprägt war. Aufgrund verschiedener Auseinandersetzungen mit der Justiz in Zusammenhang mit seinem Studentenverbindungs-Dasein geriet er in juristische Schwierigkeiten und wollte nach Nordamerika auswandern. Einer Zufallsbekanntschaft mit einem Lehrer aus Zürichs wegen, entschied er sich jedoch spontan um und lehrte ab 1847/48 an der "Musterschule" von Friedrich Wilhelm Fröbel in Zürich. Nebenher arbeitete er Korrespondent für die "Mannheimer Zeitung". 1848 zog es ihn jedoch nach Paris, wo er an den revolutionären Kämpfen der französischen Februarrevolution teilnahm. Ab September gleichen Jahres beteiligte er sich ebenfalls an den radikaldemokratischen, republikanischen Aufständen unter Gustav Strube in Baden und geriet dabei in Untersuchungshaft. Nach etwa sieben Monaten kam er im Mai 1849 frei und schloss sich während der letzten Phase der Märzrevolution der Badischen Volkswegr an. Als Adjutant Gustav Strubes nahm Liebknecht an den Reichverfassungskämpfen teil. Die Niederlage der Revolution zwang ihn jedoch schließlich zur Flucht in die Schweiz, wo er dem Genfer Arbeiterverein betrat und persönlich Bekanntschaft mit Friedrich Engels machte. Wegen seiner Initiative zur Vereinigung der deutschen Arbeitervereine in der Schweiz wurde Liebknecht allerdings bereits 1850 erneut verhaftet und aus der Schweiz ausgewiesen. Über Frankreich gelangte er nach London, wo er dem Bund der Kommunisten beitrat und regelmäßige persönliche Kontakte zu Karl Marx und Friedrich Engels pflegte. Mit Privatunterricht, Vorträgen und als Zeitungskorrespondent hielt er sich notdürftig über Wasser bis er 1862 nach einer Amnestie für die Teilnehmer an der Revolution von 1848/49 nach Deutschland zurückkehrte.
Nach seiner Rückkehr engagierte sich Liebknecht beim Aufbau der sozialdemokratischen Bewegung, den Arbeiterbildungsvereinen und für eine parteipolitische Organisierung der Arbeiterbewegung. 1863 trat er in den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV) Ferdinand Lassalles ein und schrieb für dessen Zeitung "Der Social-Demokrat". Schnell zeigte sich jedoch großer Dissens um die Bedeutung von Reform oder Revolution auf dem Weg zur sozialistischen Gesellschaft. Liebknecht vertrat die Ansicht, dass Reformen maximal marginale Verbesserungen für die Arbeiterklasse bringen konnten und die Aufgabe der Sozialdemokratie sei, die Arbeiter auf die Revolution vorzubereiten. Die Auseinandersetzungen zwischen den Reformisten und der parteiinternen Oppositionsgruppe, zu der auch Julius Vahlteich gehörte, spitzten sich bis zum Ausschluss Liebknechts zu als dieser die zunehmend nationalistische Perspektive des "Social-Demokrat" kritisierte. 
In Folge seiner zusätzlichen Ausweisung aus Berlin, ließ er sich in Leipzig nieder und lernte August Bebel kennen, mit dem er am 19. August 1866 die Sächsische Volkspartei gründete. Für diese zog er als Abgeordnete in den Reichstag des damaligen Norddeutschen Bundes. Drei Jahre später war er an der Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschlands (SDAP) beteiligt  und leitete die Herausgabe ihres Parteiorgans "Der Volksstaat". Während des Deutsch-Französischen Krieges trat Liebknecht ebenso wie August Bebel als Kriegsgegner im Norddeutschen Reichstag auf, begrüßte die Ausrufung der Pariser Kommune und sprach sich gegen die Annexion Elsaß-Lothringens aus. In Folge dieser kritischen Haltung zur Reichspolitik wurden beide im Leipziger "Hochverratsprozess" 1872 zu zwei Jahren Festungshaft verurteilt, welche sie in der Hubertusburg in Wermsdorf absaßen. Nach seiner Freilassung 1874 wurde er wiederum in den Deutschen Reichstag gewählt und war 1875 maßgeblich am Zusammenschluss der SDAP mit dem ADAV zur Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) beteiligt. Liebknecht wurde Redakteur und später Chefredakteur des ebenfalls neugegründeten Parteiorgans "Vorwärts". Innerhalb der SAP trat er weiterhin für die praktische Umsetzung der marxistischen Theorie ein.
Nach den zwei erfolglosen Attentaten auf Kaiser Wilhelm 1878 verschärften sich die Repressionen gegen die als "Reichsfeinde" angesehenen Sozialdemokraten und Bismarck setzte Mitte Oktober 1878 das "Sozialistengesetz" durch, worauf eine Repressionswelle gegen sie folgte. Aktivitäten der Sozialdemokratie außerhalb des Reichstages waren mit der Einführung des Gesetzes verboten. Liebknechte nutzte seine Stellung als Abgeordneter, um heftige Kritik an den Verhältnissen zu üben und nahm an zahlreichen internationalen Sozialistenkongressen in Frankreich, England, der Schweiz und den USA teil. Von Repressionen verschont blieb er jedoch nicht. Neben verschiedenen Gefängnisstrafen, wurde er aus Berlin, Frankfurt am Main und später auch aus Leipzig ausgewiesen. Bis zur Aufhebung der Sozialistengesetze 1890 bewohnten Liebknecht und Bebel schließlich eine Vorstadt-Villa in Borsdorf bei Leipzig. In dieser Zeit war Liebknecht ebenfalls maßgeblich an der Gründung der Sozialistischen Internationale 1889 in Paris beteiligt. Er leitete die Deutsche Delegation, die trotz Unterdrückung im eigenen Land eine Vielzahl Sozialdemokraten stellte und saß zusammen mit dem Sozialisten Édouard Vaillant dem Kongress vor. Auf diesem Kongress wurde der bis heute bekannte Erste Mai als "internationaler Kampftag der Arbeiterklasse" in Erinnerung an die Haymarket Riot beschlossen.
Nachdem die Fortführung des Sozialistengesetzes 1890 in der Erkenntnis um die Stärkung statt Schwächung der Sozialdemokratie abgelehnt wurde, reorganisierte sich die SAP und nannte sich in Sozialdemokratische Arbeiterpartei um. Liebknecht begründete auf dem Erfurter Parteitag 1891 ihr neues Parteiprogramm, das von marxistischen Grundsätzen geprägt war. In den folgenden Jahren wirkte er weiter als Chefredakteur der Parteizeitung "Vorwärts", trat als Referent auf und wurd selbst 1896 - mit 70 Jahren - noch wegen "Majestätsbeleidigung" zu vier Monaten Gefängnis verurteilt. Bei seinem letzten Auftritt am 28. Juli 1900 wendete sich Liebknecht scharf gegen die Kolonialpolitik des Deutschen Reiches.
Er stirbt am 07. August 1900 in Charlottenburg bei Berlin. Mehr als 150.000 Menschen gaben ihm das letzte Geleit.


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